Des Kaisers stolze Flotte

Die Anfänge
Am 14. Juni 1848 gründete die Frankfurter Nationalversammlung mit der Reichsflotte die erste gesamtdeutsche Marine. Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg (1864) und dem Deutschen Bruderkrieg (1866) wurde per Gesetz vom 9. November 1867 die Marine des Norddeutschen Bundes gegründet, die aus der Preußischen Marine hervorging.
Die Verfassung des Deutschen Kaiserreiches vom 16. April 1871 bezeichnet die Marine des Reichs meist als Kriegsmarine oder auch als Kaiserliche Marine. Sie lag ausschließlich in der Zuständigkeit des Reichs, wobei der Kaiser den Oberbefehl hatte.
Den Schiffsnamen der Kaiserlichen Marine wurde – vergleichbar der Tradition in der britischen Marine das Kürzel S.M.S. (für „Seiner Majestät Schiff“) vorangestellt. Neben der aktiven Flotte bestand eine Seewehr als Teil der Reserve analog zur Landwehr beim Heer.
Am 1. Februar 1872 wurden die bisherigen Marinebehörden zur Kaiserlichen Admiralität zusammengefasst, deren erster Chef General der Infanterie Albrecht von Stosch wurde.
Den Oberbefehl hatte der Kaiser. Die »kaiserliche« Marine wurde aus dem vom Reichstag beschlossenen Haushalt finanziert. Anfangs bestand die Hauptaufgabe im Küstenschutz und im Schutz der deutschen Seehandelswege. Schon bald wurden erste Auslandsstationen gegründet, die bis 1900 global ausgebaut waren.
In den 1880er/90er Jahren war die Kaiserliche Marine entscheidend am Aufbau des weltweit verteilten Deutschen Kolonialreichs in Afrika, Asien und Ozeanien beteiligt. Der Kieler Hafen (an der Ostsee) und der Jadehafen von Wilhelmshaven (an der Nordsee) waren gemäß Artikel 53 der Reichsverfassung Reichskriegshäfen.
Zu den Aufgaben der Marine gehörte auch die allgemeine Repräsentanz des Reiches im Ausland, vor allem in Übersee. Bereits die Preußische Marine hatte, wie in der damaligen Zeit üblich, Auslandskreuzer eingesetzt, die die diplomatische Interessenvertretung Preußens und später des Reiches insbesondere gegenüber kleineren Staaten zu unterstützen hatten. Ein unrühmliches Beispiel für diese Form der Zusammenarbeit von Diplomatie und Marine war die sog. klassische »Kanonenbootdiplomatie«.
 

Unter dem seefahrts- und flotten-begeisterten Kaiser Wilhelm II. (1888 – 1918) gewann die Marine zunehmend an Bedeutung. Der 1895 fertiggestellte Kaiser-Wilhelm-Kanal ermöglichte eine schnelle Verlegung der Seestreitkräfte zwischen Nordsee und Ostsee. Mit der Einrichtung von Marinekabinett, Oberkommando der Marine und Reichsmarineamt änderte sich ab 1889 die Führungsstruktur. Staatssekretär des Reichsmarineamts wurde 1897 Großadmiral Alfred von Tirpitz.
1902 wurde die Schaumweinsteuer (Sektsteuer) vom Reichstag zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt, weil „bei einer so starken Steigerung der Ausgaben für die Wehrkraft des Landes auch der Schaumwein herangezogen werden muss“.
Der Beschluss des Schaumweinsteuergesetzes durch den Reichstag erfolgte nach drei Beratungen in der Sitzung am 26. April 1902 und trat am 1. Juli 1902 in Kraft. Auf den damaligen Durchschnittspreis von 2,50 Mark wurden 50 Pfennige aufgeschlagen.

Mit den Erträgen aus der Schaumweinsteuer ließ sich allerdings nur ein sehr geringer Teil der Rüstungsausgaben des Kaiserreichs abdecken.
Die Sekt- oder Schaumweinsteuer ist übrigens ein bekanntes Beispiel für Abgaben, die zu einem bestimmten Zweck eingeführt, aber nach Wegfall des Zwecks nicht wieder abgeschafft wurden.
Die Flottenrüstung war von einer schnellen technischen Entwicklung gekennzeichnet. Nacheinander wurden neue Waffensysteme eingeführt, wie die Seemine, der Torpedo, das U-Boot und die Marineflieger mit Flugzeugen und Luftschiffen.

Eine Veränderung der Philosophie zu Verteidigungskrieg und Seeschlacht mündete mit dem Ausbau der Hochseeflotte in ein deutsch-britisches Wettrüsten. Die aus diesem deutsch-englischen Gegensatz entstandene Isolierung des Deutschen Reiches hatte entscheidenden Einfluss auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Um 1900 wurde die jeweils nach den »Winterpausen« aktivierte Übungsflotte zunächst in Schlachtflotte und 1906 in Hochseeflotte umbenannt. Ihr erster Chef war der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich. Die Hochseeflotte bildete den Kern der Kaiserlichen Marine. Bei Kriegsausbruch im August 1914 betrug ihre Stärke: 

Das Ostasiengeschwader ging 1897 aus dem vormaligen Kreuzergeschwader der Kaiserlichen Marine hervor. Es war ein selbstständiger Verband aus zwei großen und zwei kleinen Kreuzern, der in Tsingtau (heutige Schreibweise Qingdao) stationiert war und die Aufgabe hatte, deutsche Interessen im asiatisch-pazifischen Raum zu unterstützen.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs landeten japanische Truppen in China und begannen mit der Belagerung von Tsingtau. Daraufhin versuchte das Geschwader unter Vizeadmiral Graf Spee rund um Südamerika nach Deutschland durchzubrechen. Dabei kam es vor der chilenischen Küste am 1. November 1914 zum Seegefecht bei Coronel, bei dem Spees Geschwader zwei britische Panzerkreuzer unter Vize-Admiral Christopher Cradock versenkte.
Am 8. Dezember 1914 wurde das deutsche Geschwader bei den Falklandinseln durch überlegene Kräfte der Royal Navy gestellt. Sechs von acht Schiffen wurden versenkt; der Kleine Kreuzer Dresden und das Lazarettschiff Seydlitz konnten entkommen.
Den deutschen Marineverbänden standen ca. 250.000 Matrosen zur Verfügung. Allerdings blieb der zunächst erwartete große Zusammenstoß der deutschen und britischen Flotte in der Nordsee aus. Zur ersten größeren Konfrontation zwischen schweren britischen und deutschen Verbänden kam es nach einem deutschen Vorstoß schon im August 1914 beim Seegefecht vor Helgoland, das mit einer deutschen Niederlage endete. Sie zwang die deutsche Führung zu stärkerer Zurückhaltung bei offensiven Unternehmungen.

Obwohl zahlenmäßig weit überlegen, mied auch die Royal Navy eine direkte Konfrontation mit der Kaiserlichen Marine, da keine strategische Notwendigkeit dazu bestand und darüber hinaus unnötige ei-gene Verluste befürchtet wurden.
Stattdessen verhängte die britische Admiralität eine Blockade über die gesamte Nordsee, um das Deutsche Reich von der überseeischen Zufuhr kriegswichtiger Güter sowie Lebensmitteln abzuschneiden. Diese »Hungerblockade«, die sich rasch als überaus wirksam erwies, war von der deutschen Marineführung so nicht erwartet worden.

Die Situation in der Nordsee blieb währenddessen nahezu unverändert. Die Führung der deutschen Flotte spekulierte auf die Möglichkeit, durch provokante Vorstöße der Hochseeflotte Richtung Norden Teile der in Scapa Flow vor Anker liegenden britischen Grand Fleet herauszulocken und niederzukämpfen.

Derartige Operationen blieben während des gesamten Krieges nahezu die einzigen Einsätze der großen Linienschiffsgeschwader, die in Wilhelmshaven (»Reichskriegshafen«) stationiert waren.
Schon im Dezember 1914 stießen schnelle Große Kreuzer der I. Aufklärungsgruppe an die englische Ostküste vor und beschossen dort am 16. Dezember die Hafenstädte Scarborough, Hartlepool und Whitby. Die Angriffe erzielten wenig militärischen Nutzen. Es gab über hundert Tote und hunderte Verletzte. Auch blieb eine moralische Auswirkung auf die britische Bevölkerung aus. Im Gegenteil, es wuchs der Widerwille in England gegen Deutschland noch mehr, weil die meisten Opfer der Bombardements Zivilisten waren.
Im Januar 1915 wurde ein neuer Vorstoß gewagt, der im Gefecht auf der Doggerbank erneut mit einer deutschen Niederlage endete.
Zu den wenigen großen Erfolgsmeldungen der Kaiserlichen Marine der ersten Kriegsphase gehörte die Versenkung dreier britischer Panzerkreuzer vor der holländischen Küste durch das Unterseeboot SM U 9 im September 1914. Die Versenkung gelang insbesondere deswegen, weil U-Boote zu dieser Zeit noch nicht als Offensivwaffen galten und die erzielten Torpedotreffer von den britischen Mannschaften zunächst für die Auswirkungen eines Minenfeldes gehalten wurden.
Einen eher indirekten Erfolg erzielte ein deutscher Verband, bestehend aus dem Großen Kreuzer SMS Goeben und dem Kleinen Kreuzer SMS Breslau, als er sich im Mittelmeer nach Beschießung französischer Häfen in Nordafrika seinen britischen Verfolgern entzog und nach Konstantinopel entkommen konnte. Das Auftauchen der deutschen Schiffe trug wesentlich zum Kriegseintritt des Osmanischen Reiches auf Seiten der Mittelmächte bei.
Als Reaktion auf die britische Blockade legte die Marineführung rasch große Hoffnungen in die Wirksamkeit der U-Boote. Diese begannen mit einem zunächst streng nach dem internationalen Prisenrecht geführten Handelskrieg gegen gegnerische Schiffe in britischen Hoheitsgewässern. Im Februar 1915 entschloss sich die deutsche Führung, uneingeschränkten U-Boot-Krieg in den zum Kriegsgebiet erklärten Gewässern um die britischen Inseln zu führen. Gründe dafür waren die zunehmende Gefährdung der aufgetaucht angreifenden Boote durch U-Boot-Fallen (bewaffnete Handelsschiffe) sowie die Hoffnung auf ein rasches Ende der Blockade.

Als dann im Mai 1915 der britische Passagierdampfer RMS Lusitania einem deutschen U-Boot zum Opfer fiel, das getaucht und ohne Warnung einen Torpedo gefeuert hatte, starben fast 1.200 Menschen, darunter 128 US-Bürger. Die Lusitania-Affäre hatte weitreichende Konsequenzen: Zum einen zwang sie aufgrund der massiven internationalen Proteste die deutsche Führung zur Einstellung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, zum anderen drängte sie die neutralen USA zunehmend ins Lager der Kriegsgegner Deutschlands.

Skagerrakschlacht und uneingeschränkter U-Boot-Krieg (1916–1917)
Abgesehen von einigen Lockvorstößen in die Nordsee hatte die Hochseeflotte bis zum Frühjahr 1916 keinerlei Wirkung auf den Seekrieg. Die gegenseitige Aufklärung mittels neuer Waffensysteme (Flugzeuge, Luftschiffe) verhinderte üblicherweise, dass größere gegnerische Verbände sich tatsächlich im Gefecht begegneten. Als jedoch bei einer Gelegenheit Ende Mai 1916 diese Art der Aufklärung aufgrund der Wetterbedingungen nicht wie erwartet funktionierte, stießen im Seegebiet des Skagerrak nahezu die vollständige deutsche Hochseeflotte unter Admiral Reinhard Scheer und die britische Grand Fleet unter Admiral John Jellicoe aufeinander. Die Seeschlacht vor dem Skagerrak (engl.: Battle of Jutland), die überwiegend in den Abend- und Nachtstunden vom 31. Mai auf 1. Juni 1916 ausgetragen wurde, gilt bis heute als die größte ausschließlich zwischen mit Geschützen bewaffneten Schiffen geführte Seeschlacht der Geschichte, an der mehr als 200 Schiffe beteiligt waren. Trotzdem konnte keine der beiden Seiten einen entscheidenden Vorteil erringen: Der deutschen Flotte gelang es, der Vernichtung zu entgehen und zudem den Briten hohe Verluste beizubringen, während die Briten ihrerseits die Blockade unverändert aufrechterhalten konnten. Der unentschiedene Ausgang der Schlacht belegte endgültig den geringen Wert der kostenintensiven Großkampfschiffe und lenkte das Augenmerk der Seekriegsleitung noch stärker auf die U-Boot-Waffe.

Das Ende der kaiserlichen Flotte
Nach Ende der Kampfhandlungen 1918 wurde die Hochseeflotte gemäß den Waffenstillstandsbestimmungen im schottischen Scapa Flow (Orkneys) interniert.
Vergeblich hatten im Januar 1919 einige schon an den Matrosenaufständen von 1917 und 1918 beteiligte Kommunisten (u.a. Ernst Wollweber) versucht, die wichtigsten Kriegsschiffe in ihre Gewalt zu bringen und statt nach Großbritannien an Sowjetruss-land auszuliefern. In Scapa Flow waren die Schiffe entwaffnet worden und nur mit Notbesatzungen besetzt. Als im Sommer 1919 die Bedingungen des Versailler Vertrages und die damit verbundene Ablieferung großer Teile der Flotte an die Siegermächte bekannt wurde, ließ Konteradmiral Ludwig von Reuter die unter seinem Kommando befindliche Hochseeflotte am 21. Juni 1919 versenken. Damit war der Kern der Kaiserlichen Marine zerstört.
Mit der Selbstversenkung hatte die Marine zwar einen Teil des im Krieg und insbesondere während der Revolution verlorenen Ansehens zurückgewonnen, jedoch waren harte Konsequenzen zu tragen. Die Alliierten verlangten nicht nur die Übergabe anderer, zum Teil recht moderner Schiffe, die für die neue Reichsmarine hätten den Grundstock bilden sollen, sondern auch den größten Teil der noch bestehenden deutschen Handelsflotte.Modellschiffe im Malhaus
Der Initiative einer Modellbaugruppe um Gerhard Amann aus Wasserburg ist es zu verdanken, dass die Sonderausstellung »Des Kaisers stolze Flotte« in der Saison 2018 einem größeren Publikum präsentiert werden kann.
Neben 15 »großen« Modellen (Maßstab 1:100)  und 10 kleineren Modellen (Maßstab 1:200) der Kaiserlichen Flotte zeigt Michael Gratza das Diorama einer kaiserlichen Schiffswerft.
Alle Modelle wurden in akribischer Feinarbeit hergestellt und sind normalerweise Schmuckstücke in den Wohnzimmern der hochseebegeisterten Protagonisten: Michael Gratza – Günther Hibelt – Walter Fellner und Gerhard Amann.
Nach der erfolgreichen Ausstellung »Kriegszeiten« im Jahr 2014 anlässlich des Kriegsbeginns vor 100  Jahren, die ungeschönt die großen Verluste, Not und Elend der Bevölkerung in der Zeit zwischen 1914 und 1945 zu verdeutlichen suchte, ergänzen wir mit dieser Ausstellung einen Rückblick auf die Problematik der deutschen Flottenpolitik unter Kaiser Wilhelm II.

Die ungewöhnlichen Anstrengungen beim Ausbau der Kriegsflotte war nicht unwesentlich am Ausbruch kriegerischer Handlungen zwischen den Seemächten England und Deutschland beteiligt, wenngleich sich die Kämpfe auf hoher See verglichen mit dem verheerenden Stellungskrieg an Land in Grenzen hielten.
Bezeichnenderweise brachte der Matrosenaufstand am Kriegsende 1918 in Kiel und die anschließende Revolution im November 1918 das Ende der Monarchie in Deutschland. Kaiser Wilhelm II. und andere Monarchen des Reiches dankten ab.

Fridolin Altweck,
Ortsheimatpfleger von Wasserburg
Quellen: Wikipedia, eigene Lexika

Sonderausstellung 2018 – 22. April bis 15. Oktober
Öffnungszeiten:
Montag: geschlossen
Dienstag: 10:30 bis 12:30 Uhr
Mittwoch: 14:30 bis 17:00 Uhr
Donnerstag: 10:30 bis 12:30 Uhr
Freitag : 10:30 bis 12:30 Uhr
Samstag: 14:30 bis 17:00 Uhr
Sonntag: 10:30 bis 12:30 Uhr und 14:30 bis 17:00 Uhr